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Nein sagen lernen: Grenze dich ab und schaffe dir Freiräume
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Nein sagen

Nein sagen lernen: Grenze dich ab und schaffe dir Freiräume

 Anja Merklin-Wendle
Anja Merklin-Wendle
Content Managerin
In diesem Artikel:

Kannst du anderen eine Bitte abschlagen? Nein sagen ist nicht immer einfach, hilft aber, die persönlichen Grenzen zu wahren. Scheue nicht vor einem deutlichen Nein zurück, um Überlastungen zu vermeiden und dir mehr Freiheit zu verschaffen.

Nein sagen statt Ja

Du hast bereits eine Menge unbearbeiteter Aufgaben auf dem Tisch liegen und nun kommt ein Kollege mit einer weiteren Aufgabe zu dir ins Büro. Wieder einmal sagst du Ja und bereust es schon Sekunden später.

Hilfsbereite Menschen tappen gerne in die Ja-Falle und sagen anderen vorschnell ihre Hilfe und Unterstützung zu. Ihre Hilfsbereitschaft geht auf ihre eigenen Kosten und die eigenen Bedürfnisse kommen zu kurz. Es gibt Kollegen, die das ausnutzen, weil sie wissen, dass eine hilfsbereite Person keine Bitte abschlagen kann. Was also tun?

Nein sagen kann man lernen: Darum ist es wichtig

Die Fähigkeit, Nein zu sagen, ist ein Prozess, bei dem du lernen musst, deine eigene Position wertzuschätzen und zu verteidigen. Es ist wichtig zu lernen, deine Grenzen offen und deutlich auszusprechen. Das hilft dir dabei, dass du zielorientiert arbeiten (und leben) kannst. Denn wer immer bei anderen aushilft und für sie da ist, vernachlässigt die eigene Selbstfürsorge. Der eigene Akku läuft irgendwann leer, das kann sogar bis hin zum Burnout reichen.

Ein Nein zu jemand anderem ist immer ein Ja zu dir selbst.

Wer ein deutliches Nein formulieren kann,

  • wird viel weniger ausgenutzt,
  • ist sich seiner eigenen Grenzen bewusst und
  • wirkt dadurch auf andere selbstbewusster.

Du wirst merken: Ein nett, aber deutlich formuliertes Nein zeigt deine Authentizität und mentale Stärke. Denn du bist dir deiner Grenzen bewusst. Und das Beste daran: Dein Ja an anderer Stelle wird viel mehr wertgeschätzt und respektiert. Denn es ist ja nicht so einfach zu haben.

Gründe warum wir Ja sagen

Damit dir ein vorschnelles und womöglich unüberlegtes Ja nicht wieder rausrutscht, ist ein erster Schritt zum Neinsagen die Analyse der möglichen Gründe, warum du anderen keine Bitte abschlagen kannst, zum Beispiel:

  • Du willst die Harmonie erhalten und Konflikte und Konfrontationen vermeiden. Vielleicht fürchtest du, dass es eure Beziehung belastet, wenn du die zusätzliche Aufgabe ablehnst? Häufig steckt eine tiefe Angst vor Ablehnung dahinter, schließlich möchten wir gemocht werden. Aber leider geht die Rechnung häufig nicht auf. Denn schließlich werden wir nicht aufgrund der zusätzlichen Aufgabe mehr gemocht, sondern aufgrund deiner Persönlichkeit und Authentizität. Und auch wenn dich deine Lieblingskollegin so nett bittet, kannst du ihr trotz deines Neins signalisieren, dass du sie magst, auch wenn du ihre Bitte abschlägst.
  • Du möchtest dich im Job nicht angreifbar machen und zugeben, dass deine persönliche Grenze erreicht ist. Vielleicht fürchtest du dich vor negativen Konsequenzen, vor allem wenn die Bitte von deiner Chefin kommt. Hier gilt es abzuwägen und vielleicht einen Kompromiss anzubieten. Auch bei Vorgesetzten ist es wichtig zu signalisieren, dass du schon zu 100 Prozent ausgelastet bist und nicht noch zusätzliche Aufgaben on top erledigen kannst.
  • Du bist perfektionistisch und kannst es nicht ertragen, wenn etwas unerledigt bleibt. Also übernimmst du diese Aufgabe auch noch. Überlege dir in diesem Fall, wie hoch deine Ansprüche an dich selbst sind. Hier kann es durchaus helfen, wenn du das Nicht-Perfekt sein besser akzeptieren lernst. Schließlich sind auch Fehler erlaubt, denn aus ihnen können wir nur lernen.
  • Du schaffst es nicht, Prioritäten zu setzen. Dabei helfen manchmal etwas Abstand und ein Schritt zurück, um die Situation richtig einzuschätzen: Was ist wirklich wichtig und dringend? Was kann warten oder delegiert werden? Sobald dir klar ist, was dir selbst wichtig ist, kannst du deine eigenen Grenzen spontan setzen, wenn dir jemand ungeliebte Arbeit aufdrücken will. Zudem gilt: Wer selbst zu viel auf dem Tisch hat, kann ruhigen Gewissens Nein sagen, ansonsten kann ein weiteres Ja der nächste Schritt Richtung Burnout sein.
  • Du fühlst dich verantwortlich, dass ein Projekt gelingt, und möchtest die Kollegin unterstützen? Oder hast du gar ein schlechtes Gewissen, wenn du deine Hilfe verweigerst? Das musst du nicht, wenn es eigentlich nicht deine Aufgabe ist. Frage dich also, ob die Aufgabe in deiner Verantwortung liegt oder in der der Kollegin.
  • Leidest du vielleicht sogar am Helfer-Syndrom und stellst dabei deine Bedürfnisse so weit zurück, dass du dir damit sogar schon schadest? Überlege dir, ob du deshalb so oft anderen hilfst, weil du dir insgeheim im Gegenzug für deine Hilfe deren Dankbarkeit und Anerkennung erwartest, vielleicht weil auch dein Selbstwertgefühl gering ist? Mach dir klar: Häufige Hilfe führt meist nicht dazu, dass auch die Dankbarkeit deines Gegenübers immer weiter ansteigt. Oft ist das Gegenteil der Fall, immerhin hat dein Gegenüber nicht um Hilfe gebeten. Das führt nicht selten zu Frust und Enttäuschung beim Helfenden.

Gerade dann, wenn du dich zu sehr zurücknimmst und nur auf andere Rücksicht nimmst, statt auf dich selbst, bist du nicht authentisch. Höre auf dein Gefühl und achte deine Bedürfnisse und lerne, Dinge einzufordern und auf dich selbst zu achten, ohne darüber nachzudenken, was andere über dich denken könnten.

Tipps und Hilfe zum Nein sagen

Gegen die Unfähigkeit, bei Überlastung eine Grenze zu ziehen, kannst du verschiedene Maßnahmen ergreifen:

  • Fordere mehr Hintergrund-Informationen: So kannst du dir einen Überblick über die Aufgabe und ihren Umfang verschaffen, bevor du zustimmst, diese zusätzlich zu übernehmen. Frage daher unbedingt nach, wieviel Zeit und Aufwand mit der Zusatzaufgabe verbunden ist und was genau von dir erwartet wird. Überlege dir dann, ob du dies leisten kannst und willst.
  • Vertröste den Bittsteller und bitte um Bedenkzeit: Lass dich keinesfalls vorschnell überrumpeln oder gar drängen, weil die Zeit knapp ist. Versuche eine Nacht darüber zu schlafen oder zumindest erst später am Tag eine Antwort zu geben. Die Bedenkzeit hilft dir, ein vorschnelles Ja zu vermeiden.
  • Überlege dir genau, aus welchen Gründen du helfen willst (siehe oben). Versucht der Bittsteller gar geschickt, deine Hilfsbereitschaft auszunutzen, weil er dir schmeichelt oder dir Schuldgefühle einredet?
  • Sag nicht kategorisch Nein, sondern bleib danach offen und konstruktiv für Alternativen. Bilde neue Ideen und Strategien, wie das Problem gelöst werden kann. So kannst du offene Konflikte vermeiden. Vielleicht kann deine Kollegin im Gegenzug eine deiner Aufgaben übernehmen?
  • Mach dir die Konsequenzen klar, wenn du ungeplant einspringst. Denn wenn du dir zusätzliche Arbeit aufbürden lässt, verschenkst du etwas sehr Wertvolles: nämlich deine Zeit und Energie. Darum überlege dir, wie viel Energie dich das zusätzliche Projekt kostet und ob du dich darüber ärgern wirst, wenn du dich breitschlagen lässt, diese Zusatzaufgabe zu übernehmen. Überlege dir, wie du stattdessen deine Energie nutzen könntest und was liegenbleibt, wenn du die zusätzliche Aufgabe übernimmst. Und ganz wichtig: Welche Konsequenzen musst du tatsächlich fürchten, wenn du die Bitte abschlägst? Indem du dir diese Fragen stellst, beziehst du deine eigenen Bedürfnisse ein, sodass du leichter Nein sagen kannst.
  • Bereite dich auch auf mögliche Gegenargumente auf dein Nein vor. Sonst gerätst du schnell wieder in die Situation, doch nachzugeben.
  • Versuche, dich bei unfairem Verhalten deines Gegenübers zu distanzieren und nicht deine Energien in unfairen Reaktionen zu vergeuden. Wenn es beispielsweise versucht, dich zu bestechen, nimm stattdessen körperlich (z. B., indem du die Arme verschränkst) und mental (denk z. B. Das geht mich nichts an) Abstand und leg dir Strategien zurecht, wie du trotz der fehlenden Fairness deine Interessen wahren kannst. Entlarve zum Beispiel die Situation als ungerecht, geh dem entsprechenden Kollegen aus dem Weg oder reagiere mit Schlagfertigkeit auf Gegenargumente auf dein Nein. Hör auch auf deine Intuition und dein Bauchgefühl.

Tipp: Oft hilft der Austausch mit Kollegen, Partnern oder Freunden oder ein Kaffee, um Distanz zu gewinnen und die Situation überblicken zu können.

Wie kann man höflich Nein sagen?

Ein Nein sollte immer höflich und konstruktiv formuliert werden. Dennoch sollte es bestimmt rüberkommen, damit keine Diskussion darüber aufkommt, ob es nicht vielleicht doch geht. Hier helfen klare Formulierungen wie z. B.:

  • Das geht leider nicht. Ich habe momentan keine Kapazität dafür.
  • Da kann ich dich nicht unterstützen, weil ich selbst zu viel auf dem Tisch habe.
  • Es tut mir leid, ich kann diese Aufgabe nicht zusätzlich übernehmen.

Eventuell kannst du Alternativen aufzeigen:

  • Kollegin A hat mehr Erfahrung damit, vielleicht kann sie dich unterstützen?
  • Für die ausführliche Variante habe ich leider keine Zeit. Ich könnte dich nur bei einer einfachen Variante unterstützen.

Um dein Nein zu verdeutlichen, kannst du die Auswirkungen aufzeigen, die es für dich hätte, wenn du die Aufgabe übernehmen würdest. So wird deinem Gegenüber klar, dass dies für dich keine Kleinigkeit wäre, sondern dich in Wirklichkeit über Gebühr beschäftigen würde:

  • Bei diesem Fertigstellungstermin müsste ich meine Aufgabe für die Chefin, die ich gerade bearbeite und die sie so dringend braucht, verschieben. Das kann ich auf keinen Fall. Ansonsten müsstest du mit ihr besprechen, ob deine Aufgabe Vorrang hat.
  • Bei dieser Aufgabe müsste ich mich erst richtig einarbeiten, da ich das bisher noch nicht gemacht habe und mir einen Zugang zum Programm besorgen. Das würde bestimmt ein paar Tage dauern. Daher kann ich dir auf die Schnelle leider nicht helfen.

Fazit: Nein sagen im Job

Wer sich genau überlegt, zu welchen Aufgaben er guten Gewissens Ja sagen kann, hat die wichtigen Dinge im Blick. Das wissen auch die Kollegen zu schätzen, denn es zeugt von einem guten Zeit- und Selbstmanagement, wenn man realistisch einschätzen kann, wann etwas zu viel ist. Denn wer zu oft Ja sagt, hat keine Zeit für die wesentlichen Dinge, die dann auf der Strecke bleiben.

Tipp: Verzage nicht bei Rückschlägen, sondern nutze sie konstruktiv. Falls dir das Nein nicht gelungen ist und du letztlich doch nachgegeben hast, ziehe dich nicht in Ärger und Frustration zurück, sondern analysiere die Gründe für dein Nachgeben und bilde daraus Strategien für die nächste Konfrontation.