
Vorsicht Falle: „Ich muss positiv denken“
„Think positiv“ hört sich gut an. Ebenso: „Das Glas ist immer halb voll – nie halb leer!“ Doch positives Denken kann gefährlich sein und sich ins glatte Gegenteil verkehren. Mittlerweile belegen zahlreiche Studien, dass Suggestionen wie „Du schaffst das!“ prima sind, um kurzfristig in eine gute Stimmung zu kommen. Sie reichen aber bei weitem nicht aus, um konkrete Ergebnisse zu erzielen, also beispielsweise, um im Studium gute Noten zu schreiben oder gar um Karriere zu machen.
Positives Denken hat negative Auswirkungen
Weitaus weniger bekannt ist, dass diese so verbreitete Positiv-Denke spürbar negative Auswirkungen haben kann. Du fragst dich jetzt vielleicht: „Wie kann denn Positives negativ sein?“ Ganz einfach: Erfunden hat das „Positive Denken“ der französische Apotheker Emile Coué vor rund 100 Jahren. Er glaubte, seine Patienten könnten sich mit positiven Aussagen selbst beeinflussen, sofern sie sich diese mindestens 20-mal am Tag vorsagen würden. Eine seiner bekanntesten Aussagen lautete: „Es geht mir von Tag zu Tag immer besser und besser“. Dahinter steckt eine bestechende Idee, wie etwa bei „Reich ohne zu arbeiten“ oder „Lernen im Schlaf“. Die Denkmuster suggerieren, man könne positive Entwicklungen allein durch positives Denken in die Wege leiten, ohne etwas dafür zu tun – zumindest, ohne sich groß anstrengen zu müssen. Du ahnst schon, dass dem nicht so ist. Der so eingängige Ansatz des Apothekers wurde im Lauf der Zeit immer weiter ausgebaut, vor allem von amerikanischen Motivationstrainern, deren Gedankengut dann auch nach Europa importiert wurde.
Nun könnte man das positive Denken einfach so stehen und geschehen lassen, weil es ja scheinbar niemandem schadet. Das tut es aber doch. Denn diese Denkweise suggeriert, dass man „nur“ daran glauben müsse und alles würde gut. Es geht um dieses Wort der Ausschließlichkeit, um dieses „nur“, das immer wieder in diesen Mantras auftaucht.
Der verdiente Lohn: nichts!
Googel doch mal, was sich unter „positives Denken“ so alles finden lässt. Angefangen bei „Denke nach und werde reich“ (übrigens ein Klassiker) über „Positives Denken: Ihr Weg zu mehr Glück, Erfolg und Selbstbewusstsein“ (noch kein Klassiker) bis hin zu „Positives Denken: Durch Gedankenkraft die Illusion der Begrenztheit überwinden“ (wird wohl nie ein Klassiker) findest du mehrere hundert Werke, die zu schier unendlichem Glück verhelfen sollen. Allen gemein ist in etwa diese Vorgehensweise: Wenn du etwas erreichen möchtest, solltest du dir vorstellen, was du willst. Jetzt malst du dir das in den schönsten Farben und Formen aus. Dann lässt du den Wunsch los und wartest ganz vertrauensvoll darauf, dass dir der verdiente Lohn zufällt. Und wirklich. Es stellt sich genau der Lohn ein, den wir für solch passives Zutrauen verdienen: nichts. Denn er ist die Folge von dem, was wir dafür getan haben: nichts.
Eigentlich ziemlich dreist, so ein „Kriege-alles-für-nichts“-Versprechen überhaupt anzubieten. Andererseits möchten viele Menschen daran glauben, weshalb es sich auch entsprechend ausnutzen lässt. Es ist wie bei „grandiosen Zinsangeboten“ – klar sollte man bei einem Angebot von 12 % Zinsen pro Jahr skeptisch sein, aber viele Menschen wollen nur zu gerne daran glauben und fallen dann darauf herein.
Die meisten Motivationstrainer belassen es freilich nicht dabei, sondern setzen noch eins drauf: „Du kannst alles erreichen – wenn Du nur wirklich willst!“, skandieren sie. Mir graut es jedes Mal, wenn ich das höre. Dadurch geht es einem nämlich nicht besser, sondern schlechter.
Mein Rat: handeln statt denken
Was tun? Mein Rat: Mit der Frage „Was kann ich tun, um mein Ziel zu erreichen?“ denke ich engagiert, zukunftsorientiert und komme ins Handeln. Schreib dir auf, was dir dazu einfällt und geh eine einzige Sache davon sofort an.
Viel Erfolg!