Karriere Boost Eine Initiative von Haufe.
Profistrategien gegen den digitalen Burnout
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Profistrategien gegen den digitalen Burnout

Dr. Kerstin Hoffmann
Dr. Kerstin Hoffmann
Unternehmenskommunikation & Marketing

Alina hat ihr Smartphone satt: „Manchmal möchte ich das Ding einfach aus dem Fenster werfen!“ Im Studium waren soziale Netzwerke und Messenger unverzichtbar, um sich mit Freunden zu verabreden, sich auszutauschen und die richtigen Informationen zu bekommen. Jetzt, im PR-Team einer Unternehmensberatung, wird ihr die ständige Erreichbarkeit mehr und mehr zur Belastung:

„Ich habe das Gefühl, ich muss praktisch Tag und Nacht online sein, auch am Wochenende. Dauernd neue Informationen, E-Mails, Kommentare und Reaktionen, dazu private Nachrichten – und nur ein Bruchteil davon ist eigentlich wirklich eilig. Aber das sieht man meistens erst, nachdem man sich damit beschäftigt hat.“

Auch auf Facebook oder Instagram lässt sie sich immer wieder dazu verleiten, durch ihre Timeline zu scrollen, auf dieses Video zu klicken und jener Verlinkung zu folgen: „Da sind dann ganz schnell ein paar Stunden einfach weg.“ Bei Twitter hat sich Alina daher erst gar nicht mehr angemeldet, obwohl sie sich eigentlich beruflich damit beschäftigen sollte. Und bei XING steht im Profil immer noch die Uni statt des aktuellen Arbeitgebers.

Dabei hat sie auch keine wirkliche Alternativ-Strategie. Ihr Beruf bringt es mit sich, dass sie in Sachen Kommunikation ständig auf dem neuesten Stand sein muss. Dazu ist es nun einmal unerlässlich, sich in digitalen Medien zu bewegen und mit anderen auszutauschen. Sie betreut zudem die Social-Media-Kanäle ihres Arbeitgebers mit. Und auch die Zusammenarbeit und die Abstimmung mit Kolleginnen und Kollegen, die in ganz Europa unterwegs sind, läuft über Messenger und Kollaborationstools. Doch was nützen die besten Tools, wenn der Mensch sich dabei überlastet oder schlimmstenfalls gar nicht mehr richtig zum Arbeiten kommt? Warum fordern uns Social Media überhaupt persönlich mehr heraus als offenbar alle Medien zuvor? Und: Gibt es Wege, Überlastung und Frust zu vermeiden?

Von der Social-Media-Euphorie zum Social-Media-Frust?

Wer sich nur privat in sozialen Netzwerken austauscht, warum auch immer, hat zumindest scheinbar die Wahl, jederzeit damit aufzuhören. Tatsächlich ist ja aber das Digitale nicht abgetrennt von der Realität zu betrachten, sondern stellt eine Ausweitung der Realität und eine Fortsetzung der Beziehungen dar. Nun sind natürlich soziale Netzwerke nicht die einzige Art, Beziehungen zu pflegen. Aber sie erleichtern dies und erweitern die Möglichkeiten; zumal dann, wenn das gesamte Umfeld hier unterwegs ist.

So wird selbst der Privatmensch, der sich scheinbar lediglich aus der digitalen Welt zurückzieht, nach einer Weile merken, dass ihm wichtige soziale Informationen fehlen, und sich womöglich abgeschnitten fühlen. Daher kann ein vorschneller Abgang schädlich sein, erst recht im beruflichen Zusammenhang. Wenn jemand gar noch beruflich mit digitaler Kommunikation befasst ist, hat er oder sie sowieso nicht die Wahl.

Professionell und persönlich zugleich: So vermeidest du den Social-Media-Burnout

Ist der große Frust einmal da, dann ist es womöglich (fast) zu spät, noch einmal Freude an sozialen Netzwerken und dem digitalen Austausch mit anderen zu gewinnen. Am besten hilft dann eine längere Pause, um dann mit etwas Abstand neu durchzustarten und herauszufinden, was für einen selbst am besten funktioniert – und was nicht.

Für alle Werkzeuge und Medien aus dem beruflichen Umfeld, in denen man ja nicht so einfach pausieren kann, gilt: Es hilft, sie bewusst aus dem Blickpunkt der professionellen Kommunikation heraus zu betrachten. Dazu gehört auch, sich in Absprache mit Arbeitgeber und Kollegen fest eingeplante Auszeiten von dieser Arbeit zu nehmen.

Allerdings sollte man dabei eine entscheidende Tatsache nicht vergessen: Der digitale Wandel hat unser Leben im Privaten wie im Beruflichen so weitgehend verändert, dass sich die Uhr nicht einfach zurückdrehen lässt. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir mehr, schneller und auf deutlich mehr Wegen kommunizieren als noch vor wenigen Jahren. Reaktionszeiten haben sich verkürzt. Wir sind einer wachsenden Informationsflut ausgesetzt. Selbst derjenige, der meint, sich aus sozialen Netzwerken herauszuhalten, kann sich der Dauerbeschallung nicht komplett entziehen.

Wer mit großem Widerstand auf etwas reagiert, das sich sowieso nicht ändern lässt, fühlt sich erfahrungsgemäß viel mehr belastet und steuert damit viel schneller in ein Gefühl der kompletten Überlastung. Wer dagegen seinen Frieden mit einer Situation findet, hat es viel leichter, konstruktiv an der eigenen Vorgehensweise zu arbeiten. So lässt sich eine eigene Strategie entwickeln, um von Vorteilen zu profitieren ohne zu sehr in die Überlastung zu geraten.

6 Profitipps gegen die digitale Überlastung

1. Auch die eigene digitale Kommunikation strategisch planen

Nicht nur Unternehmen, auch jeder Mensch, der sich in digitalen Medien bewegt, sollte dafür eine eigene Strategie entwickeln: Welche Kanäle will ich nutzen, zu welchem Zweck und in welchem Umfang? Je mehr die digitale Kommunikation auch zum beruflichen Alltag gehört, desto mehr ist gute Organisation gefragt. Auch die private Abgrenzung gehört dazu. Da ist auch schon einmal Mut gefragt, etwa wenn man sich aus einer nervigen privaten WhatsApp-Gruppe verabschiedet oder nicht für jedes Familienmitglied Tag und Nacht in Echtzeit zur Verfügung steht.

2. Eigene Zeitlimits setzen

Social-Media-Zeit beziehungsweise digitale Kommunikationszeit im Rahmen der beruflichen Tätigkeit gehören zur Arbeitszeit. Das bedeutet auch, dass jede(r) sich selbst Grenzen setzen sollte. Wie das genau aussieht, hängt sehr von den persönlichen Gegebenheiten ab. Während die eine ihr Zeitmanagement generell gut im Griff hat, braucht der andere genaue Pläne. In den meisten Smartphones lässt sich für bestimmte Tages- und Nachtzeiten ein Ruhemodus einstellen. In manchen Geräten geht das sogar selektiv, so dass etwa bestimmte Anrufer immer noch durchkommen. Wenn es richtig organisiert ist, muss niemand rund um die Uhr erreichbar sein. Oft ist es aber eher die eigene Undiszipliniertheit, die uns um Mitternacht am Wochenende noch einmal in die E-Mails schauen lässt, als tatsächliche Erwartungen von Vorgesetzten.

3. Private Nutzung abgrenzen

Fast niemand ist „nur dienstlich“ oder „nur privat“ in sozialen Netzwerken unterwegs. Die private Nutzung liefert indes auch wertvolle Erfahrungen für den beruflichen Bereich. So bekommt man hier wertvolle Informationen, kann eine eigene Personenmarke aufbauen und sich mit anderen Menschen vernetzen. Spätestens wenn der erste Kollege zum Facebook-Freund wird, überschneiden sich die verschiedenen Welten. Doch oft hilft es, auch im Social Web Privates und Berufliches zumindest teilweise trennen. Eine völlig scharfe Trennung wird aber wohl den Wenigsten gelingen – aber das ist eigentlich nur wie im richtigen Leben. Schließlich geht man ja auch mal mit Kollegen feiern oder spricht mit Freunden über Berufliches.

4. Bewusst komplette Auszeiten einplanen

Ob es regelmäßig das Wochenende ist oder ein längerer Urlaub: Niemand muss immer erreichbar und in sozialen Netzwerken präsent sein. Erst recht nicht im Urlaub oder an Wochenenden, in denen kein Bereitschaftsdienst ist. Pausen, auch längere, sind völlig okay. Dabei ist es den eigenen Vorlieben überlassen, wie der oder die Einzelne das regelt. Mancher braucht den Offline-Urlaub; der andere kann sich auch mit Internet-Zugang gut erholen. Auch ein- und dieselbe Person wird es einmal so und einmal so empfinden.

5. Strategie regelmäßig überprüfen

Spätestens wenn mal wieder das große Überlastungsgefühl kommt, ist es Zeit, einmal in sich zu gehen: Woran liegt es, dass ich mich so fühle? Wo habe ich vielleicht meine eigenen Grenzen überschritten oder bin meinem Plan untreu geworden? Bin ich noch auf meiner selbstgewählten Linie? Stimmt mein Zeitmanagement noch? Noch besser: regelmäßige Überprüfungs- und Feedbackphasen fest einplanen. Damit der große Frust möglichst erst gar nicht auftritt. Oft hilft es, so etwas mit der besten Freundin oder dem besten Freund zu besprechen, vielleicht sogar als gegenseitige Unterstützung.

6. Natürliche Schwankungen akzeptieren

Manchmal gehen wir mit Freude zu Treffen und Veranstaltungen. Ein anderes Mal liegt uns schon ein kurzer Abstecher auf eine Messe Wochen vorher im Magen, und wir würden uns viel lieber für eine ganze Weile einigeln. Genauso ist es auch in der digitalen Welt. Wer das akzeptiert, macht sich selbst auch den Austausch in sozialen Netzwerken leichter, weil sich der Druck verringert. Eine solche Sichtweise ist vielleicht sogar die beste Versicherung gegen den Social-Media-Burnout.