
Mentoren – gibt es die nicht bei Harry Potter?
Mentoren, nicht zu verwechseln mit den DE-Mentoren in den Filmen von Harry Potter. Das waren die Bösen, um die wir uns heute nicht kümmern wollen.
Eine Schlüsselszene aus den Filmen von Harry Potter:
Dumbledore, der Schulleiter und Verfechter der guten Magie kämpft gegen Severus Snape. Die Figur in den Filmen über Harry Potter, bei der immer wieder die Frage aufkommt: Ist er gut oder ist er böse. Unterstützt er die Lebensaufgabe von Harry Potter oder nicht?!? Bei Dumbledore ist es hingegen ganz klar – er ist ein guter Mentor. Mentoren treten in Geschichten auf, wenn der Held eine große Aufgabe vor sich hat. Manchmal sind sie laut, manchmal sind sie leise und manchmal zeigen sich Mentoren auch erst als Hilfe, nachdem die große Herausforderung gelöst wurde oder der neue Weg ein sicherer Pfad geworden ist. Denn eins haben alle Mentoren in den Geschichten und Filmen gemeinsam. Sie unterstützen, stärken den Rücken oder stehen auch mal schützend vor einem. Doch das Problem lösen muss der Held selbst. In Filmen ist es selbstverständlich, dass die Helden einen Mentor oder Unterstützer an ihrer Seite haben, bis sie ihr persönliches Happy End erreicht haben. Doch wie ist es in unserem beruflichen oder privaten Alltag?
Als Kind hatten wir in der Regel Mentoren
Ganz unbewusst und wahrscheinlich hat niemand sie Mentor genannt, sondern Oma oder Opa. Unsere Eltern haben Regeln aufgestellt, die wir nicht immer gut fanden. Sie haben sich Sorgen gemacht und dadurch das eine oder andere Verbot ausgesprochen. Wenn wir aber bei Oma oder Opa gewesen sind, durften wir viel mehr ausprobieren und ausleben. Natürlich kam dort auch mal ein liebevoller Hinweis auf die Gefahr, doch selten ein wirkliches Verbot. Wenn das Knie dann blutete, wurden wir getröstet und es gab gegen die Tränen heiße Schokolade statt Schelte.
Im Teenager-Alter wechselten oft die Mentoren. Wir haben sehnsüchtig hinter jungen Erwachsenen her geguckt, sie wurden ggf. zu einem Idol für uns. Der Nachbarsjunge, der schon einen Motorradführerschein hatte und damit hinfahren konnte, wo er wollte. Oder die Tochter von der anderen Straßenseite, die chic angezogen von ihrem neuen Freund im Auto abgeholt wurde. So wollten wir auch sein. Heimlich im Kinderzimmer oder vor dem Spiegel des elterlichen Schlafzimmers haben wir Erwachsene auf Probe gespielt – und es hat sich toll angefühlt.
So haben wir uns ganz unbewusst schon Mentoren gesucht, wie die Großeltern, die uns fördern und ausprobieren lassen oder die Nachbarskinder, denen wir sehnsüchtig nachgeschaut haben, weil sie ein Stück weiter waren als wir.
Was ist überhaupt der Sinn und Zweck eines Mentors?
So ziemlich jeden Fehler, den wir machen können, wurde vor uns schon von jemanden anders gemacht und durchlebt. Wie oft sagen wir uns nach einem Fehler „Hätte ich das vorher mal gewusst, dann hätte ich es ganz anders gemacht.“ Mentoren wissen es, da sie diese oder ähnliche Erfahrungen schon durchlebt haben. Sie berichten und geben Empfehlungen, wie es besser oder einfacher gemacht werden kann.
Mentoren unterstützen auf dem persönlich gewählten Weg und ersparen demjenigen, der einen hat, Zeit, Geld und vor allem Nerven. Natürlich gibt es auch genügend Bücher, Kurse oder Videos, um das Wissen zu erlangen. Doch hat diese Fachliteratur selten den gleichen Effekt wie ein Mensch aus Fleisch und Blut. Sich mit einer Thematik zu beschäftigen und sie auch umzusetzen, sind zweierlei paar Schuhe. Nur weil fünf Bücher über die Kunst des Einradfahrens gelesen wurden, heißt es noch lange nicht, dass danach das Einradfahren auch beherrscht wird.
Auch Coaching kann eine Form des Mentorings sein, doch ist Coaching in der Regel kurzfristig und aufgabenorientiert angelegt. Die Zusammenarbeit mit einem Mentor hingegen langfristig und entwicklungsorientiert.
Welche Eigenschaften sollte ein Mentor haben?
Nicht jeder Mentor ist uralt, hat einen langen grauen Bart wie Dumbledore, oder kocht heiße Schokolade. Doch ist es wichtig, dass ein Mentor nicht nur über eine gewissen fachliche Expertise verfügt, sondern auch Lebenserfahrung und selbst etliche Fehler durchlebt hat. Denn Fehler sind, wenn die Buchstaben in eine andere Reihenfolge gebracht werden: HELFER. Der Anspruch an einen Mentor sollte nicht die Perfektion des Mentors, sondern dessen ausgeprägte Erfahrung sein.
Mentoren sind Optimisten, ohne blauäugig durch die Welt zu laufen. Sie glauben an ihre Mentees und deren Ideen. Sie machen ihren Mentees Mut und glauben an deren Visionen und Ideen. Und doch bringen sie die nötige Realität mit, welche Punkte sofort umsetzbar sind und welche auf Grund der Gesetzte der Natur einfach Zeit benötigen. Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht.
Ein Mentor führt seinen zu Unterstützenden in eine richtige Richtung, denn er ist selbst einen vergleichbaren Weg gegangen. Das bedeutet nicht, dass der Mentor eine Kopie seinesgleichen hervorbringen will. Ganz im Gegenteil. Er fördert die Individualität und hat sehr viel Spass daran, wenn der Mentee es besser oder geschickter umsetzt, als er es selbst einmal gemacht hat.
Genauso geht ein Mentor wohlwollend mit Fehlern um, er ist eher Oma und Opa, wobei der Fokus nicht auf der heißen Schokolade als Trost liegt. Mehr auf die Analyse der Fehler und die Lehre daraus statt verurteilend mit Sätzen wie „Ich habe dir das doch gesagt.“ oder „Wer nicht hören will, muss fühlen.“ um die Ecke zu kommen.
Ein Mentor begleitet den Mentee über einen längerfristigen Zeitraum und ermöglicht so seinem Schützling auch den Zugang zu seinem Netzwerk, eröffnet Möglichkeiten und stellt Chancen zur Verfügung. Er arbeitet nicht für den Mentee, sondern an dem Mentee, seinem Business und seiner Entwicklung.
Alle diese genannten Eigenschaften sind wichtig und unterstützen den gewünschten Effekt. Doch ein einziger Punkt ist elementar und steht über allen Dingen: Der Mentor muss eine Vertrauensperson darstellen, bei der man sich öffnen kann und die eigenen Schwächen zulässt. Das bedeutet nicht, dass es der beste Freund werden muss, sondern eine vertrauensvolle Respektsperson. Wenn dieses nicht vorhanden ist, bringen auch die ganzen positiven Eigenschaften des Mentors nichts.
Worüber braucht man Klarheit, wenn man mit einem Mentor zusammenarbeiten will?
Ein Mentor ist keine Eintagsfliege, die mal eben vorbei summt, ein wenig Wissen dalässt und wieder weg ist. Wichtig ist für einen Mentee, sich auf eine längerfristige Zusammenarbeit einzulassen und einzustellen.
Als Mentee braucht man die Klarheit, welche Ziele mit der Zusammenarbeit verfolgt werden. Hier geht es aber in erster Linie nicht um Ziel x im Zeitraum y. Eine Mentorenzeit hat den Fokus stärker auf das „Happy End“, also ein grundsätzlich erfüllteres (Berufs-)Leben. Natürlich werden auf dem Weg auch Einzelziele verfolgt Als Mentee hat man die Möglichkeit, die Wunschkiste aufmachen und alle Lebensbereiche heraus zu zaubern, ganz wie mit dem Zauberstab bei Harry Potter. Wenn einem dann klar wird, wo der größte Handlungsbedarf ist, sucht man sich für diesen Fokus einen Mentor.
Wer sich für die Zusammenarbeit mit einem Mentor entscheidet, muss sich im Klaren sein, dass der Mentor nicht nur die Aufgabe hat, einen an seine persönlichen Grenzen zu führen, sondern auch darüber hinaus. Ein guter Mentor hat nun mal die Aufgabe, seinen Schützling zwar nicht an den Rand des Wahnsinns zu bringen, aber weit über die Grenzen der Komfortzone hinaus. Frei nach der Definition von Albert Einstein „Wer immer das Gleiche tut und andere Ergebnisse erwartet, ist wahnsinnig“.
Als Mentee ist man der aktive Treiber in der Zusammenarbeit
Der Mentor kann nur das fördern, was der Mentee fordert und zulässt. Je mehr eingefordert wird, ob Impulse, Hilfestellungen oder auch mal ein Ratschlag, desto mehr kann aus dieser Zusammenarbeit herausgezogen werden. Auch wenn wir früher oft den Eindruck hatten, dass unsere Großeltern Gedanken lesen können, haben diese Expertise wahrscheinlich die wenigsten Mentoren.
Auf der Suche nach einem Mentor sollte man sich auch bewusst machen, ob man den Star in der Branche als Mentor haben möchte oder vielleicht eher das Sternchen. Vielleicht kommt gerade der Impuls hoch: „Natürlich den Star“. Doch sollte in diesem Zusammenhang auch beachtet werden, ob der Star sich noch an die Herausforderungen erinnern kann, an denen man gerade zu Scheitern scheint. Ob die Wahrscheinlichkeit nicht sehr groß ist, dass der Star in der Entwicklung zu weit von einem entfernt ist. Natürlich soll der Mentor mehr Erfahrungen in dem gewünschten Bereich haben als man selbst. Doch wenn der Abstand zu groß ist, könnte man Gefahr laufen, dass der Mentor die persönlichen Herausforderungen nicht mehr nachvollziehen kann und sie als nicht so relevant einschätzt. Für den Autoführerschein wurde auch nicht der Fahrtrainer eines Rennfahrers genutzt.
Auch als Mentee gibt es eine wesentliche Eigenschaft, die für eine erfolgreiche Zusammenarbeit existenziell ist. Wenn die Einstellung vorhanden ist, dass man nun mal so ist wie man ist und sich auch nicht mehr ändern kann (oder vielleicht will, weil man sich mit seinem Schicksal abgefunden hat, statt nach neuen Abenteuern zu suchen), wird die Zusammenarbeit kaum Früchte tragen.
Denn ein Mentor kann, genauso wenig wie Dumbledore, Snape, die Großeltern oder die Nachbarskinder einem das Leben und die Entscheidungen abnehmen. Aber er kann dazu beitragen, dass das Leben leichter und zufriedener wird. Auch wenn es sich im ersten Moment manchmal überhaupt nicht danach anfühlt. Ob diese Chance genutzt werden will, auch das ist eine Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss. Doch wusste schon Marc Aurel, dass man nie die Dinge bereut, die man getan hat, sondern nur die, die man nicht getan hat.