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Wie erkennst und förderst du „Organisationsrebellen-Potenzial“?
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Wie erkennst und förderst du „Organisationsrebellen-Potenzial“?

 Stefanie Puckett
Stefanie Puckett
Psychologin, Unternehmensberaterin, Coach

Kritische Mitarbeiter mit eigenen Ideen bringen Unternehmen weiter. Wie du Organisationsrebellen-Potenzial in deinem Team erkennst und seine Entwicklung förderst, erfährst du in diesem Gastbeitrag.

Inzwischen ist der Hype um das „Kickertisch-NewWork“ etwas verblasst. Und das ist gut. An seine Stelle darf gerne ein anderes New Work treten: Arbeit, die Gestaltung zulässt, Arbeit, die Zukunft schafft. Und das geht selten ohne Organisationsrebellen. Doch solche Mit-, Vor- und Gegendenker müssen entwickelt werden. Was kannst du als Führungskraft hier (falsch) machen?

Ist das schon Musterbrechen oder nur ein Fehltritt?

Organisationen sind traditionell nicht für Musterbrecher gemacht. Das Wort „Organisation“ beschreibt bereits, dass eine gewisse stabile Struktur gegeben ist. Organisationsrebellen, die sich vielleicht gegen diese Struktur auflehnen, werden als Störfaktor erlebt und auch behandelt.

Als ich – frisch in die Schweiz gezogen – meine ersten Arbeitstage bei einem internationalen Unternehmen hatte, fand ich in meiner Inbox eine E-Mail von der globalen Unternehmenszentrale. In der E-Mail wurde erklärt, dass weltweit bestimmte Ausgaben unnötig getätigt werden. Da dies in meinen Verantwortungsbereich fiel, fing ich sofort an, die Situation zu prüfen. Ein toller Einstieg, dachte ich mir. Zeit, meine Prinzipien zu zeigen: volle Transparenz, volles Commitment zur Organisation. Zwei Tage später schrieb ich meine Antwort. Am darauffolgenden Tag wurde ich vom Management zu einem Termin einbestellt. Lob vielleicht, dachte ich. Falsch gedacht. Ungewollt hatte ich wohl eine seit Langem bestehende landesspezifische Strategie zum Trocknen aufgehängt. Also: Rolle rückwärts und dann tauchte ich erstmal ein wenig ab.

Viele von uns haben das schon erlebt, häufig wenn wir eine neue Stelle antreten. Wir stellen eine Frage, die andere irritiert, lehnen uns mit einer Aussage zu weit aus dem Fenster oder treten mit einer Beobachtung jemandem ungewollt auf die Füße. Statt dass uns jemand für unsere Unvoreingenommenheit, neue Perspektive oder unseren Mut lobt, hören wir Sätze wie „hier solltest du etwas diplomatischer vorgehen“ oder „bitte besprich das das nächste Mal erst mit deiner Vorgesetzten“ oder auch „so gehen wir hier bei uns nicht vor“.

Ein Fehltritt, zumindest wird er so behandelt. Oft erreichen wir damit nichts, weil wir uns nicht um die notwendige Unterstützung gekümmert haben. Ohne eine sorgsame Vorbereitung und die – oft nicht einfache – Suche nach Unterstützung, werden wir vom Musterbrecher leicht zum Störer deklariert.

So stabilisiert sich das System und das organisationseigene Immunsystem erstickt jede keimende Fortschrittsinfektion effektiv. Stabilität ist nichts Schlechtes. Im Gegenteil, sie liefert die Basis für Effizienz und auch für Handlungsfähigkeit. Sie darf nur nicht zum Selbstzweck werden, sondern die Plattform für nachhaltige Veränderung bieten. Genau dies gilt für Führung.

Killed by Management

Die meisten Ideen mit disruptivem Potenzial scheitern an der ersten Führungsebene. Ein solches frühes Scheitern passiert häufig aus vier Gründen:

  1. Die Ideen werden aus Angst vor negativen Konsequenzen oder aus der Annahme von mangelndem Interesse gar nicht erst an die Vorgesetzten herangetragen.
  2. Die Vorgesetzten tun die Ideen ab, weil sie sie nicht ernst nehmen, ihnen keine Erfolgschancen ausrechnen oder sie nicht verstehen – auch das gibt es.
  3. Vorgesetzte verschieben die Idee auf später, um sie nie wieder aufzugreifen.
  4. Die Vorgesetzten zeigen sich kulant oder sogar interessiert und delegieren die Idee in ihrer Gesamtheit zurück an den Ideengeber.

Letzteres hört sich erstmal gut an. In der Regel aber ist dies für den Ideengeber keine Hilfe, im Gegenteil. Erstens käme die Arbeit an der Idee noch „on top“ zur normalen Arbeit. Zweitens steht die Ideengeberin wieder allein da, ohne Unterstützung.

Schärfe deinen Blick für Organisationsrebellen-Potenzial …

Das Potenzial zum Organisationsrebellen haben viele. Die meisten aber haben sich das entsprechende Verhalten und sogar Denken allerdings abgewöhnt, weil sie damit schlechte Erfahrungen gemacht haben. Umso genauer müssen Führungskräfte hinschauen, wenn sie das Organisationsrebellen-Potenzial erkennen wollen.

Ein paar Beispiele für Indizien: Jemand …

  • … fragt häufiger nach dem konkreten Nutzen oder Sinn einer Aufgabe
  • … regt Perspektivwechsel an (z. B.: „wie würde die Kundin das sehen?“; „Wie würde das aus Sicht von x beweret werden?“)
  • … stellt Fragen oder macht Anmerkungen, die im Team zu einem Umdenken führen
  • … kritisiert Prozesse oder Regelungen
  • … versucht Abkürzungen zu finden
  • … schlägt neue Vorgehensweisen vor
  • … löst Aufgaben auf unkonventionellem Wege
  • … eckt häufiger mit Aussagen an

… und werde zum Förderer

Drei Ansatzpunkte sollen dir dabei als Anregung dienen:

1. Vom Ideenkiller zum Ideenförderer

Setzen wir an der ersten Todesfalle an. Wie wirst du zu einer Führungskraft, die neuartige und disruptive Ideen anzieht? 

Hast du den Ruf eines Ideenkillers oder Ideenförderers?

  • Wie reagierst du auf kritische Beobachtungen und Kommentare? Fragst du zunächst nach, um sie besser zu verstehen? Forderst du andere auf, sie weiter zu denken oder zu ergänzen? Lobst du das kritische Denken und die Initiative? Auch vor anderen?
  • Bringst du selbst unkonventionelle Ideen ein? Trägst du ungewöhnliche Ideen oder kritische Bemerkungen, die du woanders aufschnapptest, an dein Team heran?
  • Wie reagierst du auf Kritik an deinen Ideen oder Vorgehensweisen? Stehst du denen offen gegenüber und nutzt sie als Chance zu Lernen oder zumindest für einen Dialog?

2. Zum Musterbrecher-Coach werden

Gerade Menschen die unkonventionell oder kreativ denken, die unabhängig Dinge hinterfragen und kritisch denken, aber auch Menschen, die beispielsweise sehr pragmatisch sind, werden von anderen schneller als Störer wahrgenommen, als dass jemand ihr Organisationsrebellen-Potenzial erkennt. Die Ursache liegt oft in unbedachten Verhaltensweisen mit negativer Wirkung. Kleine Verhaltensalternativen können wirksame Strategieanpassungen auf dem Weg zum erfolgreichen Musterbrecher sein.

Was kannst du tun, um Musterbrecherinnen zu fördern?

Die folgende Liste (entnommen aus dem Buch „Moderne Führung und Selbstorganisation“) zeigt typische kontraproduktive Verhaltensweisen und ihre Alternativen auf.

3. Organisationsrebellen-Potenzial fördern

Gute Führungskräfte sind die, die ihre eigene Machtbasis und Reichweite dafür einsetzen, die wichtigen Fragen weiterzutragen und den richtigen Ideen Gehör und Unterstützung zu verschaffen. Indem sie die Menschen mit den Fragen und Ideen ermutigen und befähigen, einen Unterschied zu machen. Das frühzeitige Entdecken von Personen mit Perspektiven, die uns weiterbringen, von Personen, deren Fragen zum Nachdenken anregen oder deren Kritik ein Umdenken auslöst, von Personen, deren Ideen innovativ oder disruptiv sind, ist der Anfang.

Was tust du dann, um das Musterbrechen zu fördern?

  • Bestärke Personen in ihrem kritischen oder unkonventionellen Denken, indem du lobst und ermutigst weiterzudenken.
  • Hilf konkret, indem du die richtigen Fragen stellst oder eigene Gedanken ergänzend einbringst, um z. B. auf mögliche Schwachstellen der Idee aufmerksam zu machen, die anschlussfähiger zu machen oder weiteres Potenzial der Idee aufzuzeigen.
  • Biete Unterstützung an: Ressourcen oder auch einfach Arbeitszeit, indem du die Prioritäten anpasst oder Arbeit umverteilst.
  • Biete Möglichkeiten zur Weiterentwicklung an: Von welchem Training könnte die Person profitieren? Gibt es eine Interessensgruppe, der die Person beitreten sollte? Ein Fachmagazin mit Ideen?
  • Nutze dein Netzwerk, um die Musterbrecher mit den richtigen Leuten zusammenzubringen. Innerhalb und außerhalb der Organisation. Wer könnte eine gute Mentorin sein? Wer könnte an der Idee mitarbeiten oder hat ähnliche Interessen? Wer hat schon Erfahrung in diesem Gebiet gesammelt und kann sie teilen?
  • Nutze deinen Einfluss, um den Ideen und Gedanken Gehör und Raum zu verschaffen.