
Wertschätzung im Job: Nicht geschimpft, ist Lob genug?
Wertschätzung im Job sorgt für Motivation und ermöglicht Kreativität. Wie Wertschätzung richtig adressiert wird und wie man Respekt für Kolleginnen und Mitarbeiter stimmig zum Ausdruck bringt, erfährst du hier.
Definitions-Versuch: Wertschätzung heißt Werte schätzen
Anderen mit Wertschätzung zu begegnen, fällt in einem hektischen und stressigen Berufsalltag oft schwer. Und überhaupt, was ist Wertschätzung eigentlich? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Denn Wertschätzung kann für sich für jede Person höchst unterschiedlich ausdrücken.
Generell gilt: Wertschätzung drückt sich in Respekt, Wohlwollen und positivem Interesse an einem Menschen aus. Betrachte deinen Kollegen nicht als statischen Charakter, sondern als anpassungsfähiges und vielseitiges Wesen. Wertschätzung ist unabhängig von der Arbeitsleistung. Wer andere wertschätzt, respektiert zugleich, dass jedem Menschen andere Werte wichtig sind. Wertschätzung bedeutet daher auch, die Werte des Gegenübers zu schätzen. Denn diese Werte sind es, die die Menschen in ihrem Job motivieren. Das können ganz unterschiedliche Dinge sein, wie z. B.
- Freiheit und Flexibilität,
- Sinn und Identifikation,
- Abwechslung und Herausforderung,
- Kollegialität und Zugehörigkeit,
- Sicherheit und Nachhaltigkeit,
- Geld und Erfolg,
- Status und Anerkennung oder
- Freude und Leidenschaft.
Wer Wertschätzung zeigt, investiert also in Beziehungen. Denn wirkliche Wertschätzung erfordert Empathie und Zeit. Beispielsweise für ein „Wie geht es dir?“ Dazu gehört echtes Interesse und aufmerksames Zuhören, fokussiertes Hinsehen und empathische Fragen.
Warum ist Wertschätzung von Mitarbeitern und Kollegen so wichtig?
Wer sich in seiner Person oder seinem Wirken nicht wertgeschätzt fühlt, wird früher oder später unsicher. Häufig fühlt sich die Person zudem gestresst oder gar bedroht. Und wer sich ständig Kritik, Druck und schwierigen Diskussionen ausgesetzt fühlt, ist weniger flexibel. Die Fähigkeit Probleme zu lösen geht dabei schnell verloren, stattdessen agiert man im Überlebensmodus. Konstruktiv an Lösungen zu arbeiten fällt dabei schwer, denn Angst und Druck schränken jede kognitive Hirntätigkeit ein. Im Stressmodus schaltet man häufig um auf Tunnelblick, Kampf, Flucht oder Erstarren. Dann rechtfertigt man sich, hält seine Meinung zurück und stellt sich damit quasi tot. Und wer sich zu oft (nicht-wertschätzender) Kritik ausgesetzt fühlt, wird mürrisch oder verletzlich. An eine produktive Zusammenarbeit mit anderen ist dann nicht zu denken.
Ganz im Gegensatz dazu gibt Wertschätzung ein Gefühl der Sicherheit. Denn wer sich wertgeschätzt fühlt, hat das sichere Gefühl dazuzugehören, auch wenn man mal eine andere Meinung vertritt. Und diese Sicherheit ist wesentlich, um konstruktiv und produktiv mit anderen zusammenzuarbeiten. Denn nur wer sich wertgeschätzt fühlt,
- traut sich offen seine Meinung zu sagen,
- neue Ideen einzubringen,
- kooperativ zusammenzuarbeiten,
- neue Herausforderungen anzunehmen oder
- die Qualität seiner Arbeit zu verbessern.
Wertschätzung im Team pflegen
Vor allem aus der Distanz heraus, wie z. B. im Homeoffice oder in internationalen Teams, sollten Vorgesetzte und die Teammitglieder darauf achten, dass die Kolleginnen Vertrauen haben, sich mit den anderen verbunden und gesehen fühlen. Das gelingt vor allem durch wertschätzende Kommunikation und kooperatives Arbeiten.
Wertschätzung im Job ist mehr als Lob und Geld
Vielen Arbeitnehmern geht es darum, Wertschätzung auf der persönlichen Beziehungsebene zu erfahren. Das Schlüsselwort und ein wichtiger Baustein dafür ist Respekt. Und mit diesem solltest du jeden deiner Kollegen behandeln. Was gehört dazu? Auch hier gibt es keine einheitliche Antwort, denn jeder Mensch tickt anders. Du wirst nicht den einen Trick finden, der bei jedem funktioniert. Genau das würde dein Gegenüber als respektlos empfinden.
Auch ein Lob ist hier kein Wundermittel. Sicherlich ist es immer besser, als nicht zu loben, aber je nach adressierter Person läuft ein Lob ins Leere. Denn vielleicht glaubt dein Kollege selbst nicht, eine Aufgabe gut gemeistert zu haben, oder sie war ihm nicht so wichtig wie ein anderes Projekt, das in diesem Moment keine Anerkennung bekommt.
So fördert man ein wertschätzendes Arbeitsklima
- Vermittle deinem Gegenüber die Einstellung: Ich bin okay – du bist okay. Denn anders ist ein wertschätzender Dialog auf Augenhöhe kaum möglich. Es geht also darum anzuerkennen, dass die Bedürfnisse aller Beteiligten genauso wichtig sind.
- Lege deinen Fokus lieber auf Fähigkeiten und Stärken einer Person und nicht auf ihre Schwächen oder Fehler. Auch wer nach Schuldigen sucht, respektiert nicht dessen Beitrag.
- Höre die Bedürfnisse aller Beteiligten und zeige Empathie für den anderen.
- Lege den Fokus auf die Lösung eines Problems. Und nicht auf auf das vermeintlicher Defizit oder den begangenen Fehler. Es braucht eine positive Fehlerkultur, schließlich macht jeder Fehler, sie gehören einfach dazu. Wichtiger ist doch, dass wir daraus etwas lernen und den Blick darauf richten, wie der gewünschte Zustand sein soll. Dann können sich alle gemeinsam überlegen, wie sich dieser Zustand erreichen lässt. Oft genügen schon kleine Veränderungen.
- Wer konstruktives Feedback gibt, statt zu urteilen, kann etwas bewirken. Denn für dein Gegenüber ist dein konstruktives Feedback auch ein Geschenk. Eine qualifizierte Rückmeldung zu erhalten, kann zu Motivationshöhenflügen führen.
- Nimm dir Zeit für die einzelnen Personen und höre ihnen zu.
- Führungskräfte können die Rolle eines Coaches übernehmen: Über welche besonderen Stärken verfügt der Mitarbeiter, welche Aufgaben bieten Entwicklungspotenzial und wie lässt sich die Entwicklung des Mitarbeiters im Unternehmen mit seiner privaten Entwicklung vereinbaren?
- Seid nett zueinander! Macht euch doch mal gegenseitig Komplimente mit der Kudo-Box.
- Ein respektvoller Umgang und die Brille des Anderen helfen dabei, seine eigene (manchmal enge) Perspektive zu verlassen.
- Vertrauen und Akzeptanz helfen in Krisenzeiten.
Wie formuliere ich wertschätzend?
Die Wortwahl prägt die Gesprächsatmosphäre. Leider sind wir uns manchmal über die Wirkung mancher problematischer Formulierungen nicht bewusst und sie entfalten eine ungünstige Wirkung. Unsere Auflistung zeigt einige Beispiele nicht-wertschätzender Formulierungen, ihre unterschwelligen Wirkungen und passendere wertschätzende Formulierungen, die alternativ genutzt werden können.
Formulierungsbeispiele
Formulierung | Mögliche (unterschwellige) Wirkung | alternative wertschätzende Formulierung und ihre Wirkung |
„Wer hat recht?“ | Assoziiert, dass eine Position Unrecht hat und verstärkt eine mögliche Lagerbildung und die Suche nach Schuldigen. | „Lasst uns die einzelnen Standpunkte und die Pro und Contras genauer betrachten und dann entscheiden“. Die neurale Formulierung wirkt (vor)urteilsfrei. |
„Das ist schlecht!“ | Die Aussage wertet gleichzeitig die Person ab. | „Ich hätte mir gewünscht, dass…. “ Der Fokus wird auf die Lösung gelegt. |
„Ich möchte nicht, dass…“ | Die negative Formulierung verunsichert den Zuhörer. | „Ich möchte gerne, dass…. “ Die positive Formulierung vermittelt Klarheit bei den Beteiligten. |
„Wir haben ein Problem“. | Der Fokus auf das negative Ereignis erzeugt unnötig Druck. | „Wir haben eine Aufgabe, die es zu lösen gilt“. Damit lenkt sich der Blick der Beteiligten hin zu einer möglichen Lösung. |
„Du hast einen Fehler gemacht.“ | Hier schwingt ein Vorwurf mit und provoziert eine Rechtfertigung. | „Das bisherige Vorgehen hat zu unerwünschten Resultaten/Ergebnissen geführt“. Die objektive Formulierung lenkt ebenfalls den Blick zu möglichen Lösungen. |
„In Wahrheit ist es doch so, dass … .“ | Bei dieser manipulativen Formulierung wird die eigene Meinung als „Wahrheit“ verkauft. | „Meiner Meinung nach …“ So wird klar, dass hier eine subjektive Meinung geäußert wird. |
„Da kann man nur …“ | Die Formulierung schränkt ein und lässt keine Wahlmöglichkeit. | „Wie könnte man hier noch vorgehen?“ Die offene Frage lässt weitere Möglichkeiten zu. |
„Wir haben einen Konflikt.“ | Die Formulierung fokussiert auf die Anspannung und das Problem. | „Hier herrscht noch Uneinigkeit. Es gibt verschiedene Sichtweisen und Lösungsansätze.“ So werden alle Meinungen gehört. |
„Frau Roth ist eine schwierige Mitarbeiterin.“ | Diese Formulierung wertet die Person pauschal ab. | „An dieser Stelle erlebe ich die Zusammenarbeit mit Frau Roth als schwierig, weil ich mir mehr Struktur/Offenheit/Klarheit wünsche.“ Hier wird das Problem klar benannt und nicht die Person als ganzes beurteilt. |
„Herr Schmidt hat mich gestern im Meeting angegriffen.“ | Dies ist regelrecht eine Kampfansage. | „Herr Schmidt hat den Standpunkt vertreten, dass … .“ Die Meinung des anderen wird klar benannt und nicht beurteilt. |