
Krise und Kreativität
Der Schwitzkasten der Krise
Wenn du angeschlagen bist und dich im Schwitzkasten einer Krise befindest, wird Kreativität vermutlich nicht das erste Thema sein, an das du denkst. Verständlich. Die Stabilisierung deiner aktuellen Lage sollte Priorität haben. Mit der erforderlichen Zeit und aller verfügbaren Energie. Aber was tust du, wenn deine Situation sich einigermaßen stabilisiert hat?
Trügerische Sicherheit nach der Krise
Sobald sich die Lage entspannt, neigen Systeme – also sowohl Menschen, Teams und Organisationen – dazu, in den vertrauten Normalzustand zurückzukehren. Wie ein elastischer Gummi, der nach einer Dehnung in seine Ursprungsform zurückkehrt. Routinen, Gewohnheiten, Einstellungen vermitteln das Gefühl, wieder Kontrolle zu haben. Das Seufzen erlebter Sicherheit kehrt zurück. Leider nur scheinbar.
Der Wunsch nach Normalität
Das Gefühl von Sicherheit und Kontrolle und tatsächliche Sicherheit und Kontrolle sind zwei unterschiedliche Dinge. Das Gefühl der Sicherheit entspringt häufig nur dem Bedürfnis danach. Und dieses Bedürfnis ist trügerisch und riskant, weil es sich wesentlich aus der Hoffnung speist, dass alles wieder so ist, wie vor der Krise. Konsequenterweise sieht man dann auch keine Veranlassung, sich für kommende Krisen neu und besser aufzustellen. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass man bei der nächsten Krise mindestens genauso überrascht und hart getroffen wird. Aber es geht besser.
Kreatives Mindset in der Krise
Wenn du tatsächlich Sicherheit und Kontrolle angesichts kommender Krisen erhöhen möchtest – vollständig ist sie kaum herstellbar -, kannst du nach der ersten Stabilisierung jede Krise zum Anlass nehmen, Weichen neu zu stellen. Dazu musst du kompromißlos ehrlich auf dein System schauen. Wo ist es gut aufgestellt und welche Veränderungen könnten es krisenresilienter machen? Ein kreatives Mindset, d.h. ein Verständnis für die Bedingungen, unter denen neue und kreative Ideen entstehen, ist dazu sehr nützlich. Zweitens kannst du ein Canvas erstellen, das dir deine Optionen übersichtlich vor Augen führt. Ich zeige dir, worauf du achten kannst.
Ein Canvas für ein kreatives Mindset
Schau dir folgende Bereiche an, um eine Idee zu entwickeln, ob und wie Weichen neu gestellt werden können. Erhebe und notiere zunächst den aktuellen Status in allen Bereichen und schau dann nacheinander kritisch darauf, 1. wo du unzufrieden bist, 2. wo du Veränderungsbedarf siehst und 3. wo du weniger und wo du mehr investieren solltest.
Personen: Wie stellt sich mein Beziehungsnetzwerk derzeit dar?
Prozesse: Welche Prozesse und Gewohnheiten strukturieren bislang Tag, Woche und Jahr?
Prioritäten: Auf welche Themen und zu welchen Anteilen wird die Aufmerksamkeit und Energie derzeit verteilt?
Projekte: In welche Projekte bin ich wie stark investiert?
Für Teams oder Unternehmen kommen weitere Aspekte in Betracht:
Partner: Wer sind Geschäftspartner und wie sind die Beziehungen zu bewerten?
Portfolio: Welche Produkte sind mit welchen Gewinnerwartungen verknüpft?
Krise, Kreativität und Momentum
Es ist eine alte Börsenweisheit, dass Krisen der beste Moment sind, um zu investieren. Das Canvas sollte rasch aufdecken, wo das am nachhaltigsten gelingt. Der günstigste Zeitpunkt und das größte Momentum sind gegeben, wenn die Krise noch nicht vollständig überwunden ist, aber man wieder zu Kräften kommt. Verpasst man das und kehrt in eingefahrene Bahnen zurück, verstreicht eine sehr günstige Gelegenheit für einen Neustart. Jedenfalls bis zur nächsten Krise. Wäre das nicht schade?